Über das Betreten, Verlassen und die Etiquette im dojo

Um die trainingsfreie Weihnachtszeit zu überbrücken, gibts hier ein wenig dojo-Theorie zur Lektüre. Diese Schritt-für-Schritt-Anleitung beschreibt in groben Zügen u.a., wie man ein (bzw. unser) dojo betritt und verlässt, wie man auf die Matte gelangt und wieder herunter und was es mit reishiki auf sich hat …

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Über hanmi, den „halben Körper“

Wie im Alltag, abseits der Matte, so hat auch im Aikido(-training) die Art und Weise, wie wir einander begegnen große Bedeutung. Das betrifft generell in den Kampfkünsten u.a. die aufmerksame Haltung des Körpers (kamae) – auch in Relation zu einem oder mehreren Gegenüber. Im Folgenden geht es um hanmi, die Grundstellung im Aikido (als einen von mehreren grundlegenden Aspekten der Positur), sowie jene zwei Varianten, wie die Beteiligten einander damit begegnen können.

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Hier begegnen uke und tori einander in ai hanmi.

Han (半) bedeutet „halb“ und mi (身) steht für „Körper“. Frei übersetzt bedeutet das: „Den halben Körper sehen.“ Man unterscheidet zwischen migi (右: rechts, rechte Seite) hanmi und hidari (左: links, linke Seite) hanmi, was die dem Angreifer jeweils zugewandte Körperhälfte beschreibt. Man könnte es wohl, wie im westlichen Boxsport üblich, mit linker bzw. rechter Auslage umschreiben. Durch diese Position wird die Angriffsfläche des Körpers reduziert (vgl. Escobar-Hernandez: 123)

migi und hidari hanmi

Tamura (1974) beschreibt die hanmi-Positionierung wie folgt: Ausgehend von shizentai „bewegt sich der linke Fuß nach vorne, während der rechte sich in natürlicher Folge dazu dreht“ (vgl. Krug-Riehl 1986, 25). So erhält man hidari hanmi.

Abb. 1: shizentai

Shizentai

Weiterhin gilt es, eine entspannte, natürlich Haltung einzunehmen, die Kniegelenke nicht ganz durchzustrecken und das Körpergewicht auf beide Beine zu verteilen (innerhalb der Aikidō-Schulen variiert dabei die angestrebte Gewichtsverteilung von gleichmäßig bis hin zu stark vorlastig). Positioniert man die Füße genau umgekehrt, ergibt sich migi hanmi.

Abb. 2: migi hanmi

Hanmi-Migi

Abb. 3: hidari hanmi

Hanmi-Hidari

„Festigkeit und Balance“

Hanmi erlaubt absolute Festigkeit und Balance.“ (Escobar-Hernandez 2009, S. 122) Im Aikidō gibt es u.a. deshalb keine Fußtritt-Techniken. Denn das würde bedeuten, dass man die so stabile, mit dem Boden fest verwurzelte hanmi-Stellung aufgeben müsste. (vgl. Escobar-Hernandez 2009, S. 123)

Laut Saito ist die hanmi-Position insbesondere dann effektiv, wenn man zugleich von vorne und von hinten angegriffen wird. „The hanmi stance allows for a quick handling of them both (attackers, Anm.).“ (Saito 2012, Interview).

Anmerkung: Im Unterricht ist auch häufig von einem sogenannten hanmi-Wechsel die Rede. Darunter versteht man den fließenden, meist auf der Stelle stattfindenden Wechsel von einer hanmi-Position zur anderen (also von migi hanmi zu hidari hanmi oder umgekehrt; nicht zu verwechseln mit hitoemi). Dazu tauschen einfach die beiden Füße ihre jeweiligen Plätze.

Wendet man nun das Konzept der hanmi-Positionen auf das Zusammentreffen von tori und uke bzw. aite an, ergeben sich grundsätzlich zwei ruhende Ausgangssituationen.

Die Begegnung in ai hanmi

相 oder 合 半身: wechselseitige(r) Halbkörper(-Position)

Die Partner begegnen einander in punktsymmetrischer bzw. spiegelverkehrter Körperposition. D. h., entweder befinden sich beide in migi hanmi oder beide in hidari hanmi. Bzw. – ausgehend von shizentai – schieben beide Partner ihren rechten oder beide ihren linken Fuß nach vorne.

Abb. 4: ai hanmi

aiha

In diesem Fall spricht man von ai hanmi. Das ai kann hier entweder mit dem Schriftzeichen 相 (gegen-, wechselseitig, zusammen) oder auch mit 合 geschrieben werden, was – analog zur Schreibweise für Aikidō (合気道) mit passen, übereinstimmen, harmonisch übersetzt werden kann.

Abb. 5: ai hanmi katate dori

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(cc) by-sa Beholder http://www.fudebakudo.com/aikido

Die Begegnung in gyaku hanmi

逆半身: umgekehrte(r) Halbkörper(-Position)

Wenn tori und aite einander mit spiegelsymmetrischer bzw. spiegelgleicher Fußstellung begegnen – einer der beiden befindet sich daher in migi hanmi, der andere in hidari hanmi -, so nennt man diese Paarposition gyaku hanmi. gyaku (逆) bedeutet umgekehrt.

Abb. 6: gyaku hanmigh

Ausgehend von shizentai schiebt ein Partner seinen rechten, der andere seinen linken Fuß vor.

Abb. 7: gyaku hanmi katate dori

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(cc) by-sa Beholder http://www.fudebakudo.com/aikido

aite (相手): Partner, Gegenüber, Gegenpart, Gegner; hier und im Folgenden gleichbedeutend mit uke (受け): Empfänger einer Technik; jener, der etwas aufnimmt, nutzt etc.; vom Verb ukeru (受ける): auffangen, erhalten, bewahren, retten, erleiden;

tori (取り): Aufnehmender, Sammler (von 取: nehmen); vom Verb toru (取る: ergreifen, nehmen, aufnehmen, wählen, fassen (auch: nage (投げ): Werfender; shite (仕手): Ausführender)

hanmi (半身): halber Körper (eine Ausgangsposition)

kamae (構え): aufmerksame Grundhaltung

migi (hanmi): rechts (rechter Fuß vorne)

hidari (hanmi): links (linker Fuß vorne)

shizentai (自然体): natürliche Position (beide Füße parallel, schulterbreit)

gyaku (逆): ver-/umgekehrt

ai (相 oder 合): gleich, gemeinsam; harmonisch


Quellen:

Escobar-Hernandez, Jose-Carlos: The Way of Aiki. A path for unity, confluence and harmony. Between tradition and the future. Victoria: Trafford Publishing, 2009.

Hademitzky, Wolfgang: Kanji und Kana. Die Welt der japanischen Schrift in einem Band.

Krug-Riehl, Hildegard: Tamura, Nobuyoshi. Aikido. Marseille: Eigenverlag/AGEP 1986.

Lernbuch und Lexikon. München: Iudicium Verlag GmbH, 2012.

Saito, Hitohiro: Video-Interview. 2012. URL: https://www.youtube.com/watch?v=IH3ooH-RUC8&index=14&list=WL (28.3.2016).

Taylor, Michael W. (2004): Aikidō terminology. An essential reference…

jisho.org (2018)

wadoku.de (2018)


Anmerkung des Autors: Die von mir verfassten Artikel möchte ich keinesfalls als ultima ratio verstanden wissen und ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wünsche ich mir, damit einen Beitrag zu einem Nebeneinander von Interpretationen bzw. einer lebendigen Auseinandersetzung rund um Budo leisten zu können. Ich möchte auch alle Leser höflich einladen, zu kommentieren, kritisch zu hinterfragen, zu redigieren, zu ergänzen usw. Herzlichen Dank.